Die Internationale Koalition der Sans-Papiers und der
Migrant_innen (IKSM) ruft alle Sans-Papiers, Migrant_innen, Kollektive,
Vereine, Gewerkschaften, Lohnabhängigen, Rentner_innen, Empörten,
Student_innen, sozialen Bewegungen, politischen Parteien und
Bürger_innen auf, am Europäischen Marsch der Sans-Papiers und der
Migrant_innen teilzunehmen. Dieser findet vom 2. Juni bis zum 2. Juli
2012 statt.
Der Marsch soll Sans-Papiers und
Migrant_innen der EU und des Schengenraums zusammenbringen und vor das
Europäische Parlament in Strassburg führen. Wir fordern die globale
Regularisierung aller Sans-Papiers, Bewegungs- und
Niederlassungsfreiheit für alle, Bürgerschaftsrechte am Aufenthaltsort,
Schutz und Respekt für Asylsuchende, für Sinti und Romas etc. Wir
bewegen uns alle nach Strassburg, der Hauptstadt vieler europäischer
Institutionen, um die Abgeordneten des Europäischen Parlaments und/oder
der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zu ermahnen, die
Europäische Konvention der Menschenrechte im Migrations- und
Asylbereich umzusetzen.
Die wirtschaftliche und soziale
Krise erfasst in erster Linie die prekärsten Teile der Bevölkerung, zu
der die Sans-Papiers und die Migrant_innen zählen. Überall in Europa
antworten die Regierungen mit Sparprogrammen, migrationspolitischem
Utilitarismus und es kommt zu rassistisch-xenophoben Auswüchsen.
Das
Überleben mit knappsten Mitteln, das kennen die Sans-Papiers und
Migrant_innen bestens! Seit Generationen wird das Wirtschaftswachstum
auf ihrem Rücken vorangetrieben. Besonders in Sektoren, die nicht
standortverlagert werden können (wie dem Bau- und dem
Dienstleistungssektor oder dem Gastgewerbe), werden Sans-Papiers als
billige Arbeitskräfte angestellt. Sie bleiben dabei in prekärer Arbeit
gefangen, können jederzeit entlassen werden und sind der Willkür ihrer
Chefs ausgeliefert.
Der europäische Marsch richtet sich einerseits
gegen die repressiven Gesetze und ihren Vollzug (Verhaftungen, Haft,
Zwangsausschaffungen): Seit der Einführung des Schengen-Abkommens und
der Einsetzung von Frontex spitzen sich die Verhältnisse in allen europäischen Staaten drastisch zu.
Der
gesetzliche Rahmen gestaltet sich immer brutaler, ist fremdenfeindlich
und willkürlich. Für die Sans-Papiers und alle Migrant_innen ist es
deshalb an der Zeit für einen Marsch auf das Europäische Parlament in
Strassburg.
Dieser Marsch stellt andererseits eine
Gelegenheit dar, Forderungen und Vorschläge voranzutreiben und
öffentlich zu machen, die sich an den schwierigen Bedingungen der
Sans-Papiers orientieren und im Zuge der Erfahrungen eines langen
Widerstands entstanden sind: Wie in Frankreich, wo im August 1996
Sans-Papiers die Pariser Kirche von St. Bernard besetzen und später
geräumt wurden. Oder in Italien, wo Sans-Papiers in Rom am 7. Oktober
1989 in Gedenken an den in der Provinz Caserta ermordeten
südafrikanischen Flüchtling Jerry Essan Masslo einen grossen Marsch
organisierten. Oder wie in zahlreichen anderen europäischen Ländern
(Schweiz, Spanien, Deutschland, Grossbritannien, Belgien, etc.), wo
Sans-Papiers immer wieder soziale Kämpfe führen, um anerkannt zu werden.
Mit
dem Marsch soll zudem auf europäischer Ebene ein Zeichen gesetzt
werden, dass sich Sans-Papiers und Migrant_innen nicht zu
elektoralistischen Zwecken instrumentalisieren lassen wollen, auch wenn
sie sich keine Illusionen machen, dies ganz verhindern zu können.
Immerhin werden sie die Bürger_innen Europas daran erinnern, dass sie
mit Millionen von Menschen – Männern, Frauen, Kindern – zusammen
arbeiten und in Nachbarschaft leben, die zwar viele Bürden auf sich
nehmen (Abgaben, Steuern, Erwerbsarmut, teure Mieten...), denen
gleichzeitig aber die fundamentalsten Grundrechte verwehrt bleiben –
weil sie aus dem „falschen“ Erdteil kommen, eine farbige Haut haben,
einer nicht-christlichen Religion angehören.
Der Marsch
der Sans-Papiers und der Migrant_innen ist auch ein Gedenkmarsch und
erinnert daran, dass die Migration des 20. Jahrhunderts ganze Armeen von
Soldaten und Lohnabhängigen schuf, die im Kampf oder nach langen Jahren
der Ausbeutung starben. Von ihren Leben profitierten die europäischen
Nationalstaaten, die sich im Zuge des 2. Weltkriegs und der
Industrialisierung des letzten Jahrhunderts entwickelten. Durch den
Besuch symbolischer Orte wie Verdun, wo die Ahnen der heutigen
Sans-Papiers in Schützengräben oder Minen ihr Leben liessen, erweist der
Marsch ihnen ein Andenken.
Der Marsch revoltiert gegen
die Ungerechtigkeit, die Diskriminierung und die Ungleichheiten, von
denen die ausländische Bevölkerung und prekäre Schichten von
Europäer_innen zunehmend brutal betroffen sind. Der Marsch versteht sich
als Zeichen der Solidarität mit der gesamten Bevölkerung, die eine
Gesellschaft zurückweist, die jenen, die schon viel haben, immer noch
mehr und jenen, denen es mangelt, immer weniger zuspricht. Schliesslich
ist der Marsch ein grenzen-sprengendes, ein internationalistisches
Projekt. Wir wollen aufzeigen, dass das Europa des Schengener Abkommens
weit weg ist von einer emanzipatorischen Mission für seine Bevölkerung –
der Marsch führt deshalb über Schengen in Luxembourg nach Strassburg.
ALLE GEMEINSAM NACH STRASSBURG !
Internationale Koalition der Sans-Papiers und der Migrant_innen (IKSM)
Kontakte für weitere Informationen, Anmeldungen und Unterstützung:
Anzoumana Sissoko : +33 626 77 04 02
Aboubakar Soumahoro : +39 347 92 50 741
Lionel Roche : +41 79 50 69 574
Facebook: MARCHE EUROPEENNE SANS PAPIERS ET MIGRANTS 2012
Weitere Infos auf Englisch finden sich
hier